Ausgehend von der gemeinsamen Erfahrung, kollektiv und doch aus der Ferne zusammenzuarbeiten, haben die sechs Künstlerinnen der Ausstellung ABSENCE seit dem zweiten Lockdown in Deutschland im Dezember 2020 von ihren verschiedenen Standorten aus Kunstwerke produziert. Um die Allgegenwärtigkeit der Situation zu betonen, folgt jedes Werk einer gemeinsamen Reihe von formalen Prinzipien und lässt nicht erkennen, von welcher der sechs Künstlerinnen es stammt. Ohne physischen Zugang zum Ausstellungsraum werden die einzelnen Künstlerinnen ihre Kunstwerke präsentieren, indem sie über einen Drucker verbunden sind, der die Eingaben, die er während der Ausstellung erhält, ausdruckt.
Über einen Zeitraum von sechs Tagen werden die sechs Künstlerinnen mit Hilfe von sechs Druckern Hunderte von A4-großen Arbeiten zeigen, die alle speziell für die Ausstellung geschaffen wurden. Aus der Ferne wird ein Strom von Reaktionen auf die letzten Monate in einen Raum fließen, zu dem kein Publikum Zugang hat, außer über einen täglichen Live-Stream für jeweils kurze Zeitspannen. Sowohl die Künstlerin als auch die Betrachter*innen werden abwesend sein, was genau der Gedanke ist, den die Künstlerinnen zu erforschen versuchen. Die gezeigten Arbeiten dienen als eine einzigartige Form eines anonymen Tagebuchs der Reaktionen der Künstlerinnen auf ihre Situation, ein Dokumentationsstrom, der die Konzepte von Abwesenheit und Präsenz während einer globalen Pandemie untersucht.
Als eine Gruppe von Künstlerinnen haben wir versucht, einen Weg zu finden, Abwesenheit zu definieren. Um zu verstehen, was sie für uns kollektiv und individuell bedeutet, begannen wir mit einer grundlegenden Frage: Was ist Abwesenheit? Nach der ersten tauchten mehr und mehr Fragen auf: Ist es, wenn wir jemanden oder etwas vermissen? Ist es ein Vermissen oder ein Verlieren? Können wir die Abwesenheit von jemandem oder etwas festhalten, während sie geschieht? Woraus besteht Abwesenheit? Aus Materialien? Emotionen? Handlungen? Können wir aus der Abwesenheit Präsenz schaffen? Was ist die Bedeutung von Abwesenheit, und was ist sie in der Kunst? Wie können wir die Abwesenheit von uns als Künstlerinnen ausdrücken, während wir Teil des künstlerischen Prozesses sind?
Irgendwie waren wir uns einig, dass Abwesenheit ein Zustand der Nichtexistenz ist – es ist ein quälender Gedanke, der uns immer wieder an seine Nichtexistenz erinnert. Vielleicht existiert es im eigenen Kopf oder vielleicht ist es einfach das Gefühl des Fehlens, das das Herz schmerzen lässt! Dann tauchen die Fragen auf: Kann Abwesenheit positiv sein? Können wir glücklich abwesend sein?! Können wir aus der Abwesenheit eine Präsenz schaffen? Existiert Abwesenheit tatsächlich durch die Existenz von Präsenz? So wie Schwarz und Weiß, Hell und Dunkel, Leben und Tod, ist es vielleicht die Präsenz, die Abwesenheit schafft. Ist also das Gegenteil von Abwesenheit Präsenz? Ja und Nein: Der Anfang des Abwesenheitszustandes ist durch seine Abwesenheit präsent (Nein), und mit der Zeit wird die Abwesenheit zu Null, zu Nichts (JA). "Dies gilt nicht für alle Fälle von Abwesenheit."
ABSENCE führte uns zu einem echten Zustand der Präsenz, während wir an der Abwesenheit arbeiteten, und zwang uns, tiefer darüber nachzudenken, wie dieses Jahr die Abwesenheit in den Mittelpunkt unseres Lebens rückte, persönlich und kollektiv. Es ist das Jahr der Abwesenheit, doch interessanterweise mussten wir uns durch diese Abwesenheit mit einer Menge anderer Präsenzen auseinandersetzen. Wir erkannten, dass, wenn niemand abwesend ist, wir nie präsent waren. Wir haben uns unser ganzes Leben lang mit Abwesenheit beschäftigt, unter verschiedenen Umständen und in unterschiedlicher Intensität, aber die Beschäftigung mit Abwesenheit für diese Ausstellung bietet eine neue Perspektive. Es ist eine Chance, den Ort innen und außen, das Herz und den Raum zu beobachten: Wie war es vorher und wie ist es danach?
Das Tagebuch, das wir führen, spiegelt die Situation wider, in der wir leben: Es ist isoliert von allem anderen, und doch repräsentiert es alles, was wir während des gesamten Prozesses durchgemacht haben. Es sind wir zusammen und jede für sich! Wie haben wir die Kämpfe, die in unserem Prozess der Abwesenheit auftauchten, überlebt? Mit Humor. Es ist eine wirkliche Ironie, oder nicht?
Hana El-Sagini ist eine in Ägypten geborene bildende Künstlerin. Sie wurde von ihrem Vater unterrichtet und betreut, der, als er plötzlich verstarb, ihr eine Fülle von Fragen über Verlust, Erinnerung und Liebe hinterließ, die sie durch ihre Arbeit zu beantworten versucht. Sie ist gleichermaßen von der Malerei und der Bildhauerei fasziniert, spielt mit beiden und kombiniert sie in ihrer Praxis, während sie die Betrachter*innen als Teil ihrer Arbeit einbezieht. El-Sagini hat mehrere Preise gewonnen, darunter den The Dean collection award im Jahr 2018. Sie lebt derzeit in Düsseldorf, Deutschland, und arbeitet zwischen Kairo und Düsseldorf.
Hend Elbalouty ist eine ägyptische Szenografin, Choreografin, Performerin und Autorin. Sie arbeitet mit verschiedenen Medien und kombiniert sie je nach Projekt. Ihre Arbeit reflektiert vor allem Tabusrund um den weiblichen Körper, Herkunft und Geschichtsfälschung. Derzeit ist Elbalouty MA-Studentin an der Kunsthochschule für Medien Köln, wo sie die Beziehung zwischen Kunst und Gesellschaftsschichten erforscht und eine Performance basierend auf lokalem ägyptischem Tanz und Musik (Mahraganat) kreiert.
Marian Aazer, Künstlerinnenname Lina Aazer, 1986 in Kairogeboren, ist eine ägyptische Künstlerin. Sie absolvierte ihr Studium an der Faculty of Fine Arts in Kairo mit einem Bachelorabschluss und amInstitut für Künstlerische Keramik und Glas (IKKG), Höhr-Grenzhausen, mit einem Masterabschluss. Ihre Arbeit spiegelt ihre persönliche Sicht auf andere und die sie umgebende Welt wider, sowie den Einfluss der Schöpfung und der Umwelt auf Bewusstseinsbildung.
Razan Sabbagh ist eine syrische Künstlerin, die in Hamburg lebt und deren Kunstwerke sich mit der Erforschung der Beziehung zwischen Kunst, Aktivismus und Macht beschäftigen. Ihre Arbeit besteht meist aus Performance-Stücken, die eine direkte physische Konfrontation mit dem Publikum nutzen, um einen politischen Standpunkt zu vertreten. Sabbagh interessiert sich für die Überschneidung von Politik, Raum, Klang und Menschenrechtsverletzungen sowie für den Bereich der Akustik als politische Kraft in Syrien. Sie ist derzeit MA-Studentin an der Kunsthochschule für Bildende Künste Saarbrücken.
Rozeen Bisharat ist eine in Berlin lebende Filmemacherin, Künstlerin und Aktivistin, die 1986 in Nazareth geboren wurde. Sie studierte Film an der Universität Tel Aviv und hat an vielen verschiedenen preisgekrönten Produktionen mitgearbeitet. Bisharats Dokumentarfilm Terez and I, der von Trabelsi Productions produziert wurde und Ende 2021 veröffentlicht werden soll, untersucht die Veränderungen in den Methoden des Widerstands über Generationen hinweg und die Rolle der Frauen darin. Ihr experimentelles Dokumentarfilmprojekt Quarantine a manual, das kurz nach dem ersten Covid-19 Lockdown gestartet wurde, erforscht den räumlichen und emotionalen Wandel unserer Beziehung zu Heimat.
Ruba Salameh ist eine in Nazareth geborene bildende Künstlerin. Sie erwarb ihren Bachelorabschluss (2006 - 2010) als auch ihren Master of Fine Arts (2012 -2014) an der Bezalel Academy for Arts and Design in Jerusalem und lebt und arbeitet derzeit in Berlin. In ihrer Arbeit verwendet sie verschiedene Medien, darunter Malerei, Video, Fotografie und Mixed-Media-Installationen. Salamehs Arbeit beschäftigt sich mit Begriffen wie Land, Geografien, Vertreibung und Nationalismus.
Artist Training ist ein Qualifizierungsangebot des Career College der Universität der Künste Berlin, das auf die Qualifizierung, Beratung und Vernetzung von Künstler*innen im Exil abzielt.
coculture ist eine gemeinnützige Kulturorganisation mit Sitz in Berlin, die an der Schnittstelle von Kunst, Aktivismus und Community-Building arbeitet und sich den Herausforderungen von geflüchteten Kulturakteur*innen widmet.
The exhibition will be streamed online on the coculture website and social media platforms every day of the exhibition period at 9 - 9:06 pm CEST.
Böttgerstraße 16
13357 Berlin - Wedding
The exhibition will only be viewable online, where it will be live-streamed on coculture’s website and social media platforms.